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HSV und St. Pauli: Social Media rules

Das Smartphone ist das wichtigste Instrument der Pressechefs beider Hamburger Profi-Klubs. Längst hat sich die klassische Medienarbeit von Jörn Wolf (HSV) und Christian Bönig (St. Pauli) in die virtuelle Welt verlagert. Social Media rules.

Von Martin Sonnleitner

Bevor HSV-Mediendirektor Jörn Wolf bei den „Rothosen“ anheuerte, war er schneidiger Sportreporter beim Boulevardblatt Mopo. Das ist über acht Jahre her und man recherchierte bei Wind und Wetter im abgelegenen Norderstedt, wo der HSV damals noch trainierte. Stift, Block, Mütze gegen steifen Wind, das war es, was der Reporter brauchte.

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Tempi passati, heute ist Wolfs wichtigstes Instrument sein Smartphone, ohne das er im Beruf keine Sekunde anzutreffen ist. Dabei geht es nicht nur um immerwährende Erreichbarkeit für Presseanfragen, Wolf ist auch einer der Hauptknoten beim Traditionsklub in puncto Social Media. Längst sind Facebook, Twitter und Co auch bei der medialen Nabelschau von Fußballvereinen undenkbar.

Facebookfans:
Hamburger SV: 291.902
FC St. Pauli: 244.666

2009 habe man „guerillamäßig angefangen“, blickt Wolf auf zwei Jahre Facebook zurück, in denen der HSV 291.500 Freunde aufgesattelt hat. Statt purer Marketingstrategie und Gewinnmaximierung, ginge es darum „auf Augenhöhe mit den Fans zu sein“, insistiert Wolf. Ebenso wie beim Twittern, wo die Zahl der Follower momentan 11000 beträgt. Wolf spricht von „Feldversuch“ und hat gleich jede Menge Beispiele parat.

„Twitter-Protokoll einer Irrfahrt“, nannten es kokett die „Ruhr Nachrichten“, als der HSV im verschneiten Winter 2010 bei einer Auswärtsreise nach Gladbach im tiefsten Münsterland steckenblieb. Nach verspätetem Abflug fing Wolf an zu twittern, 18 Stunden lang dokumentierte er die Odyssee. „Stehparty in Münster. Gibt nicht mal was zu trinken.“, „Wir fahren jetzt nach Nottuln. Vielleicht weiß jemand von euch wo das ist?“, „Hotelchef führt uns immer tiefer ins Ländliche. Ich glaube jetzt an Entführung“, so einige der dazugehörigen Kommentare, die mehr Medieninteresse erzeugten als das spätere 2:1 gegen die „Fohlen“.

Mittlerweile nutze man das „Zwitschern“, um die Mannschaftsaufstellung zwei Stunden früher als den Medien zu kommunizieren, Verletzungen oder Wechsel exklusiv zu verkünden. Spezielles und Seichtes kommen hier zusammen. Wolf: „Es geht darum, sich auch mal selber auf die Schippe zu nehmen.“

Ob Siegesjubel in der Kabine, Taktiktafel, Dopingprobe, wo früher Tabuzonen herrschten, wird den Fans von heute informelle Teilhabe gewährt. „Es geht um Dinge rund um die Mannschaft, nicht um konstruierte Konflikte.“ Tido Appelhoff, der aus der Marketingabteilung Social Media beim HSV forciert, ergänzt. „Es ist nicht wirklich kommerziell. Es muss immer einen kreativen Mehrwert für den User haben.“

Social Media steckt nach über zwei Jahren Aktivitäten beim HSV immer noch in den Kinderschuhen, „wir versuchen es mit Bordmitteln“, sagt Appelhoff, lediglich eine halbe Pratikantenstelle wurde freigeschaufelt. Trotzdem glaubt man beim Großklub an die digitale Zukunft und entsprechende Aufrüstung. Zumal „wir an der Grenze des Machbaren angekommen sind“, so Appelhoff, Google+ längst auf dem Plan steht und das Umsatzschwergewicht HSV auch mehr als rein altruistische Motive besitzt.

Wolf. „Wir wollen die Presseformate als Instrument benutzen, um die redaktionellen Gesichtspunkte mit Marketingstrategien zu verbinden.“ Auch Unternehmen seien schließlich stark präsent im dialogischen Netz.

„Eine Website müsse man bauen, pflegen, füttern, den technischen Support leisten und designen“, beschreibt Christian Bönig den Unterschied zu Facebook. Der Pressesprecher des FC St. Pauli lehnt sich entspannt in einen Sessel im neuen Klubheim des Kiezklubs und sinniert über den Lauf der Zeit.

Als er 2005 als zackiger Bild-Reporter von den Braun-Weißen abgeworben wurde, dümpelten diese in Liga drei. Bönig erinnert sich an einen provisorischen Container, von dem aus er eine Pressemeldung am Tag für maximal 30 Adressen versendete. Heute zuckt er minütlich das iPhone 4 und berichtet: „Wir haben sechs Mitarbeiter, operieren wie ein Verlag.“ Er trennt da nicht zwischen Mitglieder- und Stadionzeitung, Homepage, Social Media, dem eigenen TV-Kanal oder Radiosender.

Dennoch hebt auch Bönig die zunehmende Bedeutung von Social Media hervor, für das zudem „null Produktionskosten“ anfielen. „Es geht nicht mehr ohne. Für einen Profiverein ist Facebook zur Pflicht geworden.“

Ob ein Unfall des St.Pauli-Busses vor dem Cottbus-Spiel oder Anekdoten und Neuigkeiten vom Trainingsgelände, „innerhalb von 30 Sekunden hast du die ersten Kommentare“, so Bönig. Ein Foto plus wenige Sätze reichen. 50 Likes nach Sekunden, hunderte nach wenigen Minuten sind keine Seltenheit bei 244.500 Facebook-Usern.

Während die Meldungen auf der Homepage überschaubar seien und recht schnell aus der Rotation verschwinden, könne man über Facebook und Twitter „schnell reagieren und auch moderierend eingreifen“. Wie jüngst geschehen, als der progressiv initiierte Verkauf von Anleihen als abermalige „Retterkampagne“ abgetan wurde.

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Bönig: „Wir haben direkt den Dialog forciert und es umgehend geklärt.“ „Wir wollen den Zugang zum Verein ermöglichen“, es ginge drum, „transparenter, gläsener“ zu werden. Auch wenn Geldverdienen nicht die Hauptabsicht sei, könne man „über ein positiveres Image auch höhere Merchandising- und Sponsorenerlöse erzielen“, glaubt Bönig, der auch der Marketingabteilung der Kiezkicker vorsteht. „Es gibt Überlegungen, Premium-Partner über Social Media einzubinden, aber sensibel, es muss zur Marke St. Pauli passen.“

Auch Bönig glaubt, dass Facebooks Rivale Google+ auf der Überholspur ist. Vor allem die sogenannten Hangouts (Erklärung!), bei denen man mit bis zu zehn Personen per Video live chatten kann, hält er für eine spannende Sache, das Fußballgeschäft noch kommunikativer zu gestalten. Plötzlich zückt Bönig sein Handy und schmunzelt: „Schön, Charles.“ Der St.Pauli-Spieler Takyi hat am Vortag in Paris mit der ghanaischen Nationalmannschaft gegen Gabun gespielt und nun, einen Tag später, Bönig das Ergebnis kommuniziert. Schnee von gestern.

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Benny Semmler

Papa, Blogger, Mitgründer FRISCHER FILM, Seniorenspieler USC Paloma, Mitglied UnterstützerClub des FC St. Pauli, Towers-Fan und Gotnexxt.de-Follower.