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7 Gründe, warum „Kohli“ kein Tommy ist

Am heutigen Mittwochnachmittag treffen die beiden besten deutschen Tennisspieler in Paris erneut aufeinander. Dabei ist es nicht nur eine sportlich brisante Partie, sondern auch ein Duell, das von einer großen Rivalität begleitet wird. Zwar gewann Kohlschreiber die letzte Konfrontation vor gut einer Woche im spanischen Valencia, an die derzeitige deutsche Nummer 1 wird er aber nie herankommen. BLOG-TRIFFT-BALL fand acht Gründe dafür. 

 

1. Die Weltrangliste
Läuft in den nächsten Jahren alles normal, wird Philipp Kohlschreiber niemals den 2. Platz in der Weltrangliste belegen. Diesen belegte Tommy Haas im Mai 2002, kurz bevor seine lange Leidenszeit begann. Kohlschreiber, der in manchen Situationen die Attitüde eines Platzhirsches mitbringt, kann hingegen noch nicht einmal eine Top-Ten Platzierung aufweisen. Die momentane 24 der Welt verbuchte er im Juli 2012, mit Platz 16 hält er derzeit das beste Karriere-Ranking.

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2. Die reine Statistik
Vier Turniersiege sind zwar sehr respektabel für einen Top-30 Spieler, an die 15 Karrieretitel von Tommy Haas kann „Kohli“ jedoch nicht heran reichen. Auch was die reine Siegesstatistik angeht, trennen den gebürtigen Augsburger Kohlschreiber und den Hamburger Haas Welten. Kohlschreiber gewann bisher rund 55 Prozent seiner Spiele, Haas hingegen stolze 64 Prozent.

3. Die Grand Slams
Auch bei den Grand-Slam-Turnieren kommt der Herausforderer nicht an seinem fünf Jahre älteren Kontrahenten vorbei. Während Haas vier Halbfinals erreichen konnte, schaffte es Kohlschreiber lediglich einmal in ein Grand-Slam Viertelfinale.

4. Die Olympia-Geschichte
Es war der große Tennis-Eklat des Sommers 2012. Tommy Haas spielte bei den Gerry Weber Open in Halle die Konkurrenz an die Wand und machte dabei selbst vor einem Roger Federer keinen Halt, doch an Olympia, groteskerweise in Wimbledon auf Rasen ausgespielt, durfte Haas aufgrund der DTB-Reglementierung nicht teilnehmen. Kohlschreiber hatte hingegen die London-Reise locker in der Tasche, verzichtete jedoch auf die Teilnahme an den Olympischen-Spielen, da dieses vierjährliche Ereignis mit dem Turnierplan Kohlschreibers kollidierte.

5. Apropos Olympia
Sidney 2000. Das Weltsportfest vor malerischer Kulisse in einem ganz besonderen Jahr. Tommy Haas, damals jugendliche 22, spielte eines der besten Turniere seiner Karriere und holte Silber. Die Tennisschlacht gegen den russischen Blondschopf Jevgeni Kafelnikov bot der blutjunge Haas eine majestätische Schlacht, die den russischen Tennis-Zar fast in die Knie zwang. Da das „fast“ nicht umsonst da steht, reichte es nach fünf Sätzen „nur“ für die silberne Plakette.

6. Die Moral
Wimbledon 2013. Im Erstrundenduell zwischen Ivo Dodig und Kohlschreiber steht es 2:2 nach Sätzen, im finalen Fünften führte der Kroate mit 2:1, Break vor. Dann erklärt Kohlschreiber seine Aufgabe. Der Grund: „Ihm ginge es nicht gut“. Von dieser Erkrankung war jedoch zuvor kaum etwas zu sehen. Dieses, sagen wir einmal ganz diplomatisch „unglückliches Verhalten“, war frische Munition für das nicht kleine Establishment der Kohli-Kritiker. Haas, der mehrmals großartige Comebacks feierte und einige Schicksalsschläge verkraften musste, die unmittelbar mit seiner Tenniskarriere verbunden waren, strich zwar auch in manch einer Partie vorzeitig die Segel, doch nie wegen einer Erkältung und schon gar nicht beim wichtigsten Tennisturnier des Jahres.

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7. Die Tennis-Ästhetik
Egal welche Ressentiments man gegenüber Philipp Kohlschreiber hegt, eines kann man dem Bayer nicht vorwerfen. Tolles Tennis spielt der 30-Jährige zweifellos, besonders die wummernde Rückhand prägte sich tief in das Gedächtnis der Tennisfans. Doch an die Ästhetik von Haas kommt die deutsche Nummer 2 nicht heran. Der herrlich saubere Rückhandslice oder die im internationalen Herrentennis immer mehr zur Seltenheit verkommene einhändige Rückhand sind die Paradeschläge im Repertoire Haas‘, an die Kohlschreiber nicht heranreichen kann.

8. Die Vorbildfunktion
Tommy Haas war einst ein Spieler, an dem sich die Gemüter schieden. Kleine Kinder durften bei manchen Spielen (siehe Video) nicht unbedingt am Seitenrand sitzen. Vom Choleriker und Raufbold, der unzählige Tennisschläger rustikal malträtierte, zum Liebling der Fans war es ein langer und beschwerlicher Weg. Doch Haas ist ihn gegangen, hat sich immer wieder auf ihn zurückgekämpft und sich trotz, vielleicht aber auch dank dieser ganzen Rückschläge, zu einem absoluten Vorbild emanzipiert. Ein Vorbild in Sachen Ehrgeiz, Wille und Bodenständigkeit. Haas, einer der besten 35-Jährigen der Tennisgeschichte, wird als Unikat in die Tennisgeschichte eingehen. Nicht die Gesamtzahl seiner Siege, sondern das Zustandekommen seiner Triumphe ließen ihn zur Ikone reifen. Philipp Eberhard Hermann Kohlschreiber ist „nur“ ein sehr guter Tennisspieler.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.