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„Mit 30 habe ich die besten Flanken geschlagen“

Rene Rydlewicz beendete seine aktive Karriere mit stolzen 278 Erstligaeinsätzen. Nun ist er Co-Trainer von Energie Cottbus. Im Interview vor dem Duell zwischen Energie und Rostock spricht der 41-Jährige über wichtige Erfahrungen bei den Bambinis, wertvolle Übungen mit Zafer Yelen und welche Probleme er mit der aktuellen Fußballgeneration hat.

Herr Rydlewicz, am Wochenende heißt es Hansa gegen Cottbus. Sind Sie aufgeregt? Immerhin geht es gegen ihre langjährige Wahlheimat.

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Es ist eine interessante Konstellation. Ich habe lange in Rostock gespielt und gelebt, schöne Jahre an der Ostseeküste verbracht. Nun ist es aber so, dass ich für Cottbus an der Seitenlinie stehe und auch hier in der Nähe geboren wurde. Ich mag es ehrlich gesagt auch nicht, wenn zu viel in ein Spiel hineininterpretiert wird. Für mich geht es um drei Punkte, die wir unbedingt in Cottbus behalten wollen. Und darum geht es an jedem Spieltag. Ich denke also, was solche Spiele angeht, nicht in Jahren, sondern von Woche zu Woche.

Macht es in der Spiel-Vorbereitung denn keinen Unterschied, ob man mit dem Gegner persönlich vertraut ist?

Nein, das würde ich nicht so sagen. Ich würde meine Aufgabe auch nicht richtig erfüllen, wenn meine Spielanalysen davon abhängig sind, ob ich schon einmal beim Gegner gespielt habe. Übrigens ist der Fußball so schnelllebig, dass etwaige Insiderkenntnisse von vor drei oder fünf Jahren heute nicht mehr allzu viel Wert sind.

Welche Stärken haben Sie beim FC Hansa ausgemacht?

Sie standen gegen Stuttgart richtig gut, waren taktisch sehr ordentlich eingestellt. Zudem hat Hansa Spieler, die Tore machen können. Unterschätzen werden wir sie mit Sicherheit nicht.

Gibt es also keinen Außenseiter? Tabellarisch ist ja die Favoritenstellung eindeutig.

Es gibt in dieser Liga keine Außenseiter. Wir können gegen jeden verlieren, gegen jeden gewinnen. Das macht die Liga aus, sorgt für Spannung – ist aber auch eine große Herausforderung für alle Beteiligten.

Wenn man Sie früher auf dem Platz gesehen hat, dann hat man meistens einen Spieler mit Verantwortungsbewusstsein beobachtet. Der eine Führungsrolle übernommen hat. Ordnet man sich so einfach als Co-Trainer unter?

Es ist ja nicht so, dass jeder guter Fußballer zwangsläufig ein guter Trainer wird. Nur weil ich die Fußball-Lizenz bestanden habe und früher Bundesliga gespielt habe, bedeutet das noch lange nicht, dass ich jetzt schon ein guter Trainer bin. Deshalb betrachte ich es sogar als hilfreich, zunächst als Assistent zu arbeiten.

Welchen neuen Blick gewinnt man als Ex-Spieler denn im Traineramt?

Dass alles viel weitreichender, komplizierter und komplexer ist. Früher als Spieler war man vor allem für sich verantwortlich. Das bedeutete: fit zu sein, seine Leistung zu bringen und der Mannschaft so zu helfen, wie es taktisch geplant war. Als Trainer ist man für alles verantwortlich. Für jeden Spieler, für fast jede Spielsituation. Früher hat man sich bei Ecken darauf konzentriert, sie gefährlich in die Mitte zu schlagen. Als Trainer reicht das nicht, da muss jeder wissen, wo er zu stehen hat. Und das zu lehren, ist Aufgabe des Trainerteams. Ganz abgesehen von all den Dingen rund um das Spielfeld. Als Spieler gehst Du nach dem Training nach Hause. Für einen Trainer geht es dann erst richtig los.

Wie lernt man denn als Fußballlehrer am besten?

Man lernt immer. Als ich die Bambinis in Bentwisch bei Rostock trainierte, habe ich gelernt, nur mit den Augen und ich mich hinein zu lachen. Wenn man einmal den Clown raushängen lässt, dann tanzen die Kleinen einem sofort auf der Nase herum. Kommen einem hinterher und sammeln die Hütchen ein, die man zuvor platziert hat. Lacht man laut darüber, dann verliert man irgendwann die Kontrolle, weil es die Jungs als Spaß verstehen und wiederholen.

Sie scheinen ja Spaß mit der Jugend zu haben.

Ja, auf jeden Fall! Ich wollte ja früher auch Erzieher im Kindergarten werden. Ich fand die Aufgabe immer spannend, mit Jugendlichen und Kindern zu arbeiten. Und jetzt bin ich halt nicht für die ganz kleinen zuständig, sondern für die etwas größeren Jungs. Und für meinen Sohn Oskar natürlich.

Wer war denn Ihr großer Lehrmeister?

Das war nicht nur einer. Das waren viele.

Bekommen wir auch Namen?

Eine wichtige Person für mich war Ulf Kirsten, mit dem ich anfangs in Leverkusen zusammen gewohnt habe. Auch weil seine Frau meine Wäsche mitgemacht hat und dafür Sorge trug, dass ich immer ordentlich herumgelaufen bin. Oder Bernd Schuster, mit dem ich Freistöße geübt habe. Du lernst immer, und das unabhängig vom Alter. Ich habe Jari Litmanen in Rostock beim Passtraining beobachtet. Der hat in einer Bewegung sechs Abläufe untergebracht, für die wir deutlich länger brauchten. Und ganz wichtig ist: die großen Jungs, die Weltstars – die sind immer absolut okay gewesen als Typen. Warst du auch in Ordnung, dann haben sie sich die Zeit genommen. Das versuche ich auch unseren Jungs beizubringen. Offen sein, damit man von anderen profitieren kann.

Wer war Ihr bekanntester Schüler?

Einer war sicherlich Zafer Yelen. Wie oft stand ich mit ihm nach dem eigentlichen Training auf dem Platz und habe geübt, Freistöße in den Winkel zu zirkeln. Ich habe ihm immer gesagt: „Junge, wenn dir das gelingt, fast jeden Freistoß so aufs Tor zu bringen, dann wird es kaum einen Trainer geben, der dich nicht spielen lassen wird. Inzwischen ist Zafer einer der besten Standardschützen. Dazu gehört Begabung, vor allem aber Fleiß.

Das Üben nach dem Training scheint Ihnen wichtig zu sein. Haben Ihre Spieler Vorteile, wenn Sie regelmäßig Extraschichten machen?

Wir registrieren natürlich, dass manche Jungs mehr machen als andere, um sich zu verbessern. Aber es geht nicht um Alibitraining nach dem Motto: Schau mal, Trainer, wie gut ich bin. Es ist eher die Konsequenz, die daraus folgt. Wer übt, wer sein Handwerk trainiert, der wird besser. Und darum geht es ja. Besser zu sein als andere, die auf deiner Person spielen können. Und natürlich besser als der Gegner. Das ist Leistungssport. Das ist Wettbewerb.

Und das ist altersunabhängig?

Natürlich. Ich habe mit über 30 meine besten Flanken geschlagen. Sowas musst du auch im Alter trainieren. Du wirst ja nicht schneller, hast weniger Zeit. Also muss man andere Dinge üben. Ich habe allgemein den Eindruck, dass diese Einstellung nicht bei allen jungen Spielern vorhanden ist. Dass bei manchen Gedanken über Haar-Gel, farbige Schuhe und Autos wichtiger sind als Überlegungen, wo man fußballerisch an sich arbeiten kann. Wie in jedem anderen Job sollte man sich mit seinem Beruf, den kleinen und großen Stellschrauben beschäftigen.

Sind Sie denn froh, in einer anderen Generation gespielt zu haben?

Warum denn die Vergangenheitsform? Ich bin zwar älter geworden, das bedeutet aber noch lange nicht, dass ich nicht mehr kicken kann. Wenn einer bei einer bestimmten Übung fehlt, dann können die gar nicht so schnell gucken, wie ich auf dem Rasen bin (lacht). Und das Training für die alten Herren am Freitag, wo ich unter anderem mit Sven Benken und Jens Melzig spiele, kann ja auch nicht schaden.

Kommen wir noch einmal auf Rostock zurück. Ein bisschen Sympathie ist schon noch da, oder?

Das will ich ja gar nicht bestreiten. Meine Schwiegereltern wohnen in Rostock, die fahren wir häufig besuchen. Hansa Rostock war eine tolle Zeit, doch nun will ich mit Energie Erfolg haben. Und da bleibt für Geschenke kein Platz. Auch wenn ich mich sehr darauf freue, ein paar alte Bekannte zu treffen. Mit Jörg Hahnel habe ich ja noch Bundesliga gespielt. Und dann wäre ja noch DIE Geflügel-Soljanka, die mir in Rostock mit am besten schmeckt.

DIE Soljanka?

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Ja. Meine absolute Leibspeise. Und deine Tante Marlies macht ja echt diese tolle Geflügel-Variante, wie du bestimmt weißt.

Natürlich weiß ich das. Und damit sind wir auch schon am Ende des Gesprächs. Vielen Dank.

*Anmerkung: Rene Rydlewicz hat einmal Onkel & Tante von Hannes Hilbrecht auf einer Silvester-Feier kennengelernt. Die Soljanka von Tante Marlies hinterließ dabei bleibenden Eindruck.

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Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.