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„Bremer Entwicklung hat Vorbildcharakter“

Eine Bloggerin aus Bremen startete unlängst die Aktion „BLOGS-GEGEN-HASS“, die in Anlehnung an die HOGESA-Bewegung auch als „BLOGEHA“ durchs Netz zieht. Wir haben dafür mit dem Portal „Fußball-Gegen-Nazis“ gesprochen. Mit Laura Piotrowski, die Hauptperson hinter dem Projekt, unterhielten wir uns querbeet über dieses Thema.

Foto: Screenshots www.fussball-gegen-nazis.de

 

Hallo Frau Piotrowski, Sie betreiben für die Amadeu-Antonio-Stiftung das Portal „Fußball gegen Nazis.“ Was sind Eure Aufgaben, die ihr der täglichen Arbeit  zu bewältigen habt?
Wir recherchieren in Eigeninitiative Texte oder greifen auf die Arbeiten freier Autoren zurück. Dazu kommt eine Presseschau am Montag. Wir sehen uns dabei als Informationsportal, das über die rechtsextremen Umtriebe im deutschen Fußball berichtet. Zudem bedienen wir natürlich die sozialen Medien, zum Beispiel teilen wir Inhalte zu Nazis im Fußball oder schöne Gegenaktionen und Veranstaltungshinweise. Gerade sammeln Menschen auf Tumblr dazu viel Bildmaterial, unter „Ultrapeinlich“ und „Ultraschön“

„Ultraschön“ und „Ultrapeinlich“ – was ist das?
„Ultrapeinlich“ ist ein Tumblr, auf dem fragwürdige und teils menschenverachtende Transparente aus deutschen Fußballstadien kommentiert gesammelt werden. „Ultraschön“ ist ein neues Projekt aus dem Kreis der Macher von „Ultrapeinlich“, welches auf gelungene Aktionen von Fußballfans aufmerksam machen soll.

Wie „rechts“ sind denn die Kurven in deutschen Stadien überhaupt?
Eine pauschale Aussage ist dazu nicht möglich, denn es kommt immer auf den Standort an. Allgemein lässt sich jedoch festhalten, dass ein Trend dahin geht, dass rechtsextreme Fußballfans sich zusehends auf den Amateurfußball konzentrieren. Das Engagement der Profivereine, die sich zahlreich mit diesem Thema auseinandersetzen, wirkt in vielen Fällen, sodass Nazis keinen Platz in den meisten Fanszenen finden. Allerdings entstehen daraus auf der nächsttieferen Ebene auch Schwierigkeiten. Im Raum Magdeburg haben Nazi-Hooligans  einen Amateurfußballverein mitgegründet und es gab wiederholt Probleme bei oder nach Spielen des Clubs.

→ ULTRAPEINLICH

Oft hört man ja von Ultas, dass sie keine politische Fokussierung wünschen, geschweige denn dahingehende Aktionen. Wenn Kurven „unpolitisch“ sein wollen, ist das  schon  ein schlechtes Zeichen?
Unpolitische Kurven machen es den Nazis in jedem Fall leichter, in den Reihen der Ultras und anderer aktiver Fans Akzeptanz zu finden. Natürlich fühlen sie sich wohler beim Stadionbesuch, wenn um sie herum keine Aktionen gegen Rassismus, Antisemitismus und Homophobie abgehalten werden.

Wieso besteht überhaupt Wunsch auf eine „unpolitische Kurve? Gegen Rassismus, Homophobie und Sexismus zu sein, ist ja an sich kein großer politischer Akt.
Weil viele Fußballfans der Meinung sind, dass Politik nicht ins Stadion gehört und dass das Engagement gegen besagte Themen eine linkspolitische Richtung darstellen würde. Dabei ist antirassistisches Engagement nicht automatisch linke Politik.

Sprechen wir über das Sendegebiet von BLOG-TRIFFT-BALL. Gibt es Sorgenkinder im Norden?
Bei Hannover 96 hat sich leider eine sehr engagierte Gruppe von der 1. Mannschaft distanziert, weil es Probleme innerhalb der Fankurve und später auch mit der Vereinsführung gab. Das eröffnet natürlich Lücken in der Kurve und könnte Platz für rechte Fans schaffen, die derzeit bundesweit auch vermehrt in die Stadien zurückgehen. Einige der ehemaligen Hannover96-Anhänger gehen jetzt zum Amateurfußball, der davon profitiert. Dazu gab es auch in Braunschweig Vorfälle, in denen die antirassistischen Ultras Braunschweig von Neonazis aus der Kurve gedrängt wurden. Über den HSV bin ich nicht allzu gut informiert, allerdings haben sind auch da Ultras aus dem Stadion gegangen. Es bleibt abzuwarten, wie diese Lücke gefüllt wird.

→ ULTRASCHÖN

In Norddeutschland denkt man beim Thema „antifaschistische Fußballfans“ sofort an den FC St. Pauli. Gibt es ähnliche Fanszenen?
Der FC St. Pauli und seine Fanszene sind schon lange sehr aktiv gegen Rechts. Auch beim SV Werder Bremen hat sich in den letzten Jahren sehr viel entwickelt, es gibt eine AG Antidiskriminierung von Fans. Gemeinsam mit Fanprojekten und auch durch die Unterstützung des Vereins haben sie die Bremer Kurve grundlegend verändert. Nazis sind im Stadion gar nicht mehr akzeptiert.

Aus Bremen kommt die Band „Kategorie C“, deren Name bereits für sich steht. Wie steht es um die rechte Szene bei diesem Verein?
Im Stadion selbst gilt sie als verdrängt und bedeutungslos, was man auch an den Aktionen in den letzten Monaten erkennt. Allerdings ist es kein leichter Weg für die Bremer Anhänger. Gerade in der Anfangszeit der Fan-Projekte gab es einige Zwischenfälle. So wurde zum Beispiel eine Geburtstagsparty antirassistischen Bremer Fans von Neonazis gestürmt und die Gäste angegriffen. Auch auf Auswärtsfahrten kann es kritisch werden, da auswärts bekanntlich ein anderes Publikum mitfährt und Fans dabei sind, die in einer anderen Stadt wohnen und so viele Entwicklungen der heimischen Kurve nicht mitmachen können. Für mich besitzen die Entwicklungen in Bremen Vorbildcharakter für andere Szenen, weil die Fans auch bei Auswärtsfahrten den antidiskriminierenden Kurvenkonsens durchsetzen.

Wir haben über die Vereine gesprochen und natürlich über die Fans. Wie sieht es aber mit den Spielern aus. Auf internationaler Ebene hört man viel, auf nationaler eher weniger.
Auf der einen Seite wäre es natürlich schön, wenn es Profis geben würde, die mehr Einsatz zeigen. Es ist gut, wenn manche Spieler T-Shirts mit Botschaften tragen oder mal einen netten Satz in die Kamera sagen – auch das hilft. Allerdings wären deutlichere Zeichen wünschenswert. Anderseits können wir nachvollziehen, dass der Beruf des Profifußballers ein Fulltime-Job ist, auf den sich die Spieler konzentrieren müssen, da die Zeit, in der sie ihren Beruf ausüben können, begrenzt ist.

Gibt es denn eine Koryphäe, einen Spieler, der besonderen Einsatz zeigt?

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

Da muss ich kurz nachdenken, → Ralph Gunesch. Dessen Einsatz gegen Homophobie ist bemerkenswert und wichtig. Früher waren es ja selbst betroffene Spieler wie Anthony Yeboah oder später Gerald Asamoah, die viel Initiative zeigten und gegen dieses Thema mobil machten, als Affenlaute und geworfene Bananen noch auf der traurigen Tagesordnung in deutschen Stadien standen. Spieler sind dann häufig nach Ende ihrer Profikarriere aktiver, Asamoah setzt sich immer noch gegen Rassismus ein. Ein anderes Beispiel ist Thomas Hitzlsperger.

Kommen wir zu einem weiteren Thema: Die Angriffe auf Polizisten häufen sich, oft sind sowohl linke als rechte Fans daran beteiligt. Kann man von einer Querfront sprechen?
Querfront ist der falsche Begriff. Hier geht es nämlich nicht um eine gemeinsame politische Agenda, sondern nur um das größte gemeinsame Feindbild. Und das ist eben die Polizei. Deshalb würde ich nicht von einer Querfront sprechen wollen.

Gewissermaßen kann man gerade Fans aus dem antifaschistischen Bereich gewaltbereite Tendenzen bei Polizeieinsätzen am Rande einer Fußballpartie vorwerfen.
Der klassische und nicht nur von linken Fans gebrauchte Slogan ist ja „All Cops Are Bastards“ (ACAB) Den kritisiere ich aus verschiedenen Gründen. Generell ist Gewalt gegen Menschen – und Polizisten sind Menschen – immer abzulehnen. Auch wenn man besonders im Fußball sagen muss, dass eingesetzte Polizeibeamte sich immer wieder provokativ oder auch rechtswidrig gegenüber den Fans verhalten. Darin liegt der Hass der Fans begründet und hier muss man ansetzen, um das Feindbild aufzulösen und die Situation zu entspannen. Aber das betrifft rechte Fans genauso wie linke oder unpolitische Fans.

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Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.