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Herr Reinke, wo steht der Porsche?

BLOG-TRIFFT-BALL besuchte Andreas Reinke und fragte nach: Wie lebt es sich auf dem Dörp? Wo war es schöner – in Bremen oder in der Pfalz? Raus gekommen ist ein extra großes Interview. 18 Fragen gibt es gratis, die letzten 19 Antworten erhaltet ihr für 49 Cent. Lesevergnügen samt Schmunzelalarm sind garantiert.

Foto: Haben wir gemacht.

Herr Reinke, wo steht eigentlich der Porsche?

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

Dort drüben.

Der VW-Bus da?

Richtig, genau der. Wisst ihr, ein Porsche sieht gut aus. Das möchte ich ihm auch gar nicht absprechen. Das Problem ist nur: man kommt zwar leicht rein, aber nur schwer wieder raus.

Aber ist der Porsche nicht mittlerweile das Gefährt schlechthin für einen Bundesligaspieler?

Bei Werder bekommt man mittlerweile VW’s. Und das sind ja auch schöne Autos, oder? Ich kam da jedenfalls nie so mit. War nicht vernarrt in teure Wagen, fand auch den Trend mit den ganzen Tattoos etwas befremdlich. Ich habe mich nie nach solchen Dingen gerichtet, die gerade modern waren, sondern habe lieber auf mich geschaut.

Wir treffen uns nun in einem kleinen Dorf bei Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern). Auf einem Bauernhof. Wieso residiert ein ehemaliger Bundesliga-Star bei Nieselregen auf dem Dorf, wenn doch die Sonne auf Mallorca locken könnte?

Bei mir hat es sich mit dem Landleben langsam entwickelt. So richtig schätzen gelernt habe ich es erst im Laufe meiner Karriere. Ich habe nämlich immer, egal wo ich war, bevorzugt am Stadtrand gelebt. Das kam einfach so, war nie vorher geplant.

Wir fragen nochmal. Lieber der kühle Herbst im rauen Mecklenburg-Vorpommern als Sonne auf einer wohligen Ferieninsel?

Natürlich gibt es Ecken auf der Welt, die schön sind und auch locken könnten. Das muss zwar nicht unbedingt Mallorca oder eine andere Ferieninsel sein, doch gibt es viele lukrative Ziele. Aber ich komme von hier, bin ganz in der Nähe aufgewachsen. Meine Familie und alte Freunde wohnen im Umkreis, mein Sohn kann sehr gut behütet aufwachsen und auf eine tolle Schule gehen. Im Grunde bin ich Mecklenburger und war auch immer Mecklenburger.

Wann beginnt so ein Tag hier auf dem Land?

Um sechs Uhr zwanzig.

Das ist ja nicht unbedingt die Zeit eines Profi-Spielers.

Das ist richtig. Und ja, bevor ihr fragt, es war nicht leicht, sich das so anzugewöhnen. Man war schon an längeres Schlafen gewöhnt. Nun ist es aber so, dass mein Sohn im Sommer eingeschult wurde. Und der braucht ja auch seine Zeit, findet nicht automatisch den Weg in die Schule. Deshalb beginnt der Tag bei uns eben etwas früher.

Der Bauer bei mir im alten Zuhause, einem Dorf bei Sanitz, 20 Kilometer von Rostock entfernt, knattert meistens schon um vier oder um fünf mit dem Traktor los. Ist 6.20 Uhr dann nicht schon fast Luxus?

Wir führen ja unsere Landwirtschaft vor allem auf Eigenbedarf. Damit wir unseren Partyservice bei Feierlichkeiten in unseren Räumlichkeiten frisch bestücken können. Wir haben jetzt auch keine riesigen Felder, die geerntet werden müssen. Wir haben Schweine, Geflügel und Kühe, und diesen Bestand wollen wir gerne erweitern. Und da sehe ich es einfach: die Tiere haben auch morgens um 8.00 Uhr noch Hunger.

Wie bereitet man sich nach so vielen Jahren in ausverkauften Stadien und auf den Plätzen als Landwirt vor? Liest man Bücher, schaut man YouTube-Videos?

Ich habe, glaube ich, noch nie ein YouTube-Video gesehen. Damals in der Kabine gab es diese Smartphones noch nicht, da ist keiner rumgelaufen und hat dir irgendwelche Videos gezeigt. Und jetzt hier auf dem Dorf, da hat man gar nicht den Empfang, um solche Spielchen zu betreiben. Zur Ausgangsfrage: meine Eltern kommen aus der Landwirtschaft, somit habe ich bereits in der Jugend entsprechende Erfahrungen gesammelt. Und genug Leute, die man bei Bedarf fragen kann, findet man auf dem Land sowieso.

Sie sprachen auch vom Partyservice. Den Gastraum haben wir schon gesehen, drängt sich die Frage auf: wer kocht da eigentlich?

Das machen wir, also meine Frau und ich. Besonders ich koche sehr gerne, mag es, frisch einkaufen zu gehen, die Lebensmittel vorzubereiten, dann mit viel Detailliebe zu brutzeln. Mit Kräutern aus unserem Garten. Das macht mit sehr viel Spaß, auch wenn es ein großer Aufwand ist. Für siebzig, achtzig Gäste zu kochen, das ist eine Herausforderung, die meist zwei Tage vorher beginnt.

Was ist der Geheimtipp in der Cuisine Reinke?

Eigentlich schmeckt alles. Aber Fisch zubereiten, das kann ich ganz gut. Und das bereitet mir auch besonders viel Freude.

Dann angeln Sie auch?

Ja, das ist eine Leidenschaft von mir. Sich hinsetzen und darauf warten, dass einer anbeißt, die Ruhe dabei – das ist wundervoll. Das pure Entspannungsprogramm. Auch mein Sohnemann kann sich dafür schon begeistern, holt sich manchmal nachmittags seine Stippe und geht an den Gartenteich. Er hält auch schon mit Papa ein paar Stunden – und länger – am See aus.

Wenn man sich Ruhe angewöhnt, dann könnte man doch das Angeln in das Torhütertraining involvieren.

Das wäre sicherlich nicht schlecht. Ich glaube aber, dann gibt’s Probleme mit den Cheftrainern und den anderen Teamkollegen.

Apropos Torhüter. Sie waren neulich beim Abschiedsspiel von Ailton in Bremen. Haben Sie Tim Wiese dabei wiedererkannt?

Ja, das ging gerade noch. Aber nicht nur ich habe gestaunt, sondern alle haben sich gefragt:. „Tim, was hast du denn gemacht?“ Er sah schon sehr mächtig aus, das wirkt live noch um einiges stärker als auf den unzähligen Bildern.

Wie ist das allgemein alte Meisterkollegen wiederzusehen?

Es war jetzt ja nicht so ein neues Gefühl, da wir uns vor ein paar Monaten zur Zehnjahresfeier getroffen hatten. Dennoch freut man sich immer wieder diese Mannschaft zu sehen. Wir haben super harmoniert, tollen Fußball gespielt und es hat einfach gepasst in der Mannschaft. Das hat uns so richtig stark gemacht und den Weg zur Meisterschaft geebnet.

Zehn Jahr später steht Bremen auf dem letzten Tabellenplatz.

Es sieht nicht gut aus, in der Tat. Es fällt mir aber schwer, dazu irgendetwas zu sagen, da ich das ja alles nur von hier aus verfolge. Schade ist es so oder so.

Hätte die Meistermannschaft noch eine Chance gegen die Truppe?

Wenn es nicht über neunzig Minuten geht, dann schließe ich zumindest eine heftige Abfuhr für uns aus.

Wie verfolgen Sie Bundesligaspiele?

Vor dem Fernseher gar nicht mal so häufig. Da es ständig was draußen zu tun gibt oder ich auch gerne mal an irgendetwas bastele, bin ich eher wieder ein Fan der Radiokonferenz im NDR geworden.

War die grün-weiß lackierte Meisterschaft 2004 denn schöner als die Sensation mit Kaiserslautern 1998?

Das ist eine doofe Frage, weil sie schwer zu beantworten ist. Vielleicht auch gar nicht beantwortet werden kann. Eine deutsche Meisterschaft zu gewinnen, ist ein so großartiges Erlebnis, das mit so vielen Erinnerungen behaftet ist, dass man da kaum differenzieren kann. In Kaiserslautern waren wir der Aufsteiger, dem das Wunder gelungen ist. In Bremen war der Bezug in Richtung Heimat größer, da es nicht mehr soweit von Zuhause weg war. Zudem war der Sieg in München bei Bayern fantastisch, das 3:1 damals, dass war vielleicht DER Sieg meiner Karriere.

Auch weil Sie gegen Oliver Kahn gewonnen haben, der später zur EM fuhr.

Einen Oliver Kahn hat man immer gerne besiegt. Er war ein sensationeller Torhüter, der mit Recht im Nationalteam gesetzt war.

Sie haben trotz zweier Meisterschaften nie ein Länderspiel bestritten. Ich kann mich nicht erinnern, dass es das in den letzten zwanzig Jahren gab – zwei Meisterschaften, aber kein Länderspiel.

Es war immer ein Wunsch von mir, einmal mit dem Adler aufzulaufen. Vielleicht sogar ein langes Turnier mit einer Mannschaft zu bewältigen. Dieses Zusammenwachsen erleben. 2004 war ich nochmal nahe dran, da stand es nochmal zur Diskussion.

Wieso hat es nicht geklappt?

Ich denke, es lag nicht nur an den sportlichen Gesichtspunkten. Fest steht jedenfalls, dass es noch immer schade ist, nicht für die Nationalelf und Hansa Rostock, meinen Heimatverein, gespielt zu haben. Beides waren Träume, die mir in meiner langen Laufbahn versagt blieben.

Waren Sie so ein Hansa-Fan? Wir wissen, dass Sie aus der Ecke kommen und zuletzt Co-Trainer dort waren. Aber war die Bindung so stark?

Ich bin sehr mit dem Verein verwurzelt. Ich habe früher nicht jedes Heimspiel, aber dennoch viele Partien als Fan besucht. Wir waren meistens mit der ganzen Familie unterwegs, und von Güstrow bis nach Rostock war es ja nicht mehr als ein Katzensprung.

Dennoch haben Sie nie für den Verein gespielt.

Ich habe es aber versucht, sogar zweimal forciert. Anfang der Neunziger, wo „Hoffi“, also Daniel Hoffmann, mit einem Wechsel nach England geliebäugelt hatte, stand ich schon quasi vor der Tür. Dann hat er sich irgendwie verletzt – ich meine, dass es der Arm war – und der Wechsel platzte. Übrigens scherzen wir noch heute darüber. 2007, nach meiner Zeit in Bremen, gab es noch einmal die Möglichkeit. Ich wäre sehr interessiert gewesen, Herr Pagelsdorf entschied sich jedoch für den anderen Kandidaten (… Stefan Wächter ist an dieser Stelle gemeint).

Sie hätten den Verein ja auch fast einmal in die 2. Liga gestürzt.

Wann das?

1999, als Sie gegen Frankfurt sehr deutlich verloren.

Das war ein blödes Spiel, ein gebrauchter Tag. Der allerdings seine Hintergrundgeschichte besitzt. Wir haben damals – es war übrigens unglaublich heiß in Frankfurt – nach dem Frühstück mit der Mannschaft einen Spaziergang unternommen und haben uns, man mag es sich kaum noch vorstellen, völlig verlaufen. Sind eineinhalb Stunden, vielleicht sogar länger, durch die Gegend geirrt. Das brachte nicht nur Hektik, da der Zeitplan völlig zerplatzt war, sondern ging auch an die Substanz. Die Hitze und der Stress schlauchten so dermaßen, dass wir letztendlich schon angeschlagen waren, als wir das Stadion betraten. Wir wollten dieses Spiel keineswegs verlieren, brauchten ja einen Punkt für die Champions-League-Qualifikation. Durch die Vorgeschichte und den Rahmenbedingungen waren wir gegen eine Mannschaft, die ums nackte Überleben gekämpft hat, einfach zu platt.

War dann wenigstens ein Ohr in Bochum?

Nein, überhaupt nicht. Und das meine ich überhaupt nicht böse, aber was viele immer wieder vergessen: wir haben uns nicht von Frankfurt vermöbeln lassen, weil es für uns um nichts mehr ging. Das ist Quatsch. Wir haben an dem Tag die Champions-League verspielt. Das tat richtig weh. Natürlich konnte ich mich über Hansa‘s Klassenerhalt freuen, das stimmt schon. Es war früher übrigens auch so, dass ich nicht allzu böse drum war, wenn wir gegen Rostock Unentschieden gespielt haben. Ich wollte nicht verlieren, das wollte ich nie. Aber mit Rostock die Punkte zu teilen, das war jetzt nicht so schön wie ein Sieg, aber längst nicht die allergrößte Katastrophe. Und einmal, 2004 war das, als wir mit Werder schon Meister waren, haben wir mit 1:3 an der Ostsee verloren. Hansa hat sich so für den Liga-Pokal qualifiziert, wenn ich mich richtig entsinne. Das hatte ich schon damals auf dem Schirm – dennoch war ich auch etwas sauer, dass es gleich drei Gegentore wurden. Verlieren will man als Torhüter nämlich nie, egal zu welchem Zeitpunkt.

Champions-League ist ein schönes Stichwort. Wie ist Champions-League eigentlich? Ganz anders oder doch ähnlich wie Bundesliga?

Im Grunde sind die Unterschiede bis auf Gegner, Reise und Zeit relativ überschaubar. Es gibt nur ein sehr genaues Programm, phasenweise auf die Sekunde gestoppt, wann irgendetwas ansteht. Wann der Platz betreten wird, wann man sich warm macht, wann die Kabine verlassen wird. Da steckt schon sehr viel Organisationsaufwand dahinter. Genervt hat mich letztendlich nur die Reiserei. Sicherlich war es auch spannend, aber in englischen Wochen war es belastend.

Mit Lautern ging es ja mal recht weit.

Es war ärgerlich, wie damals das Viertelfinale ausgelost wurde. Ich meine: Vierteilfinale in der Königsklasse – das ist toll. Aber dann gegen Bayern antreten zu müssen, und mit 4:0 abgeschossen zu werden, dass war kein schöner Moment. Ein Abenteuer gegen einen großen internationalen Gegner wäre rückblickend sicherlich attraktiver gewesen.

Herr Reinke, wenn ich mir die Meistermannschaft von Kaiserslautern auf einen Foto anschaue, dann sehe ich zuerst Harry Koch und Olaf Marschall, und denke, uih, das waren ja noch anständige Frisuren.

Vor allem waren es Typen. Die noch eigen waren, die sich nicht verbogen haben und demnach auch nicht alle gleich aussahen. Mit denen hat es Spaß gemacht, auf wie neben dem Platz. Mit einigen, zum Beispiel Olaf, stehe ich noch heute in Kontakt. Letztens haben wir auch Ratinho besucht, der in Lautern ja unter die Gastronomen gegangen ist.

Konnte man damals noch richtig einen „Trinken“ gehen, Herr Reinke? Ich meine das jetzt nicht negativ, sondern absolut positiv.

Ich würde sagen, dass es damals anders war als heute. Früher hat man zum Beispiel mit Polizisten mal zusammen einen getrunken, heute aber stehen manche da und freuen sich, wenn sie jemanden auf einer Party erwischen. Mit den Medien ist es genau das Gleiche. Sicherlich ist es wichtig, wann es gemacht wird. Zwei Tage vor dem Spiel wird es schon kritisch, aber wieso nicht nach dem Spiel ein paar Bier? Ich habe mir immer gesagt, und ich würde es auch heute noch so ausdrücken: die Mannschaft, die zusammen weg war, schlägt immer die Truppe, die zuhause geblieben ist.

Da haben Sie bestimmt noch eine Anekdote?

Nein, da muss ich vorsichtig sein (lacht). Ich weiß nur, dass ich irgendwann in Kaiserslautern ganz erschrocken war, als mir jemand mit einem Bananenweizen kam. Also das geht bei mir gar nicht, mit dem Bananenweizen und dem anderen Quatsch.

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Das geht ja in die Richtung „Anektdötchen“.

Mal überlegen, na gut, das kann ich erzählen. Ich hatte mal in Bremen einen Kasten Lübzer dabei. Die Jungs waren dann so erschrocken, dass es Bier aus 0,5er-Flaschen gab. Sie kannten aber nur die kleinen 0,3er. Das war amüsant, denn einige schienen echt überfordert.

So Herr Reinke, Tacheles. Sieht man Sie noch einmal auf der Trainerbank?

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Das könnte sein, denn die Arbeit mit der Mannschaft hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich tausche mich regelmäßig mit Andreas Bergmann über das aktuelle Ligageschehen aus. Mit ihm hat es Spaß gemacht, es passte menschlich sehr gut. Aber ich muss hier wirklich nicht weg, bin sehr glücklich mit meinem Leben, das ich hier führen kann. Ich habe aber im Leben gelernt, dass man bemüht sein sollte, nichts voreilig auszuschließen.

Zum Abschluss. Was macht Sie denn hier so glücklich? Fernab von Titelkämpfen und Spielen.

Zuallererst die Familie. Und dann, auch wenn es komisch klingen mag, wenn ein Kalb geboren wird. Es ist unglaublich schön, zu sehen, wenn ein Tier zur Welt kommt, es sich aufrappelt und sich in der Folge prächtig entwickelt. Das ist bewegend, bereitet mir Freude.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.