Niklas Jakusch im Interview: „Ich bin das Ende der Kette“
Niklas Jakusch ist einer der Kieler-Lokalhelden, ein Eigengewächs sozusagen. Momentan hütet die Nummer 1 der letzten Saison aber nur einen Platz auf der Ersatzbank. Wir haben uns mit dem Kieler Schlussmann über seine Vertragsverlängerung, seine Bedeutung im Aufstiegskampf und den Kieler Wandel zur Spitzenmannschaft unterhalten.
Foto: calcio-culinaria.de
Herr Jakusch, wie lenken Sie sich von der Aufstiegsaufregung in Kiel gerade ab? Das Wetter ist ja grandios.
Ich esse gerade mit meiner Freundin ein Eis und genieße die Sonne.
Sie haben vor wenigen Wochen Ihren Vertrag in Kiel um zwei Jahre verlängert. Eine schwierige Entscheidung? Schließlich haben Sie mit Kenneth Kronholm Riesenkonkurrenz auf Ihrer Position.
Nein, das war überhaupt keine schwierige Entscheidung. Ich war mir früh sicher, dass ich gerne in Kiel bleiben möchte. Meine Familie, meine Freundin und meine Freunde leben in Kiel. Da fällt die Entscheidung nicht schwer. Mir geht es hier gut. Meine sportliche Situation könnte natürlich besser sein, dennoch fühle ich mich in Kiel super aufgehoben. Der Verein und das Umfeld passen einfach.
Es gab also keinen anderen Verein, der Sie mit einer Einsatzgarantie gelockt hat?
Was heißt gelockt? Ich glaube nicht, dass viele Vereine und Städte an das, was mir Holstein und Kiel derzeit bieten, herankommen könnten. Ich kann als einer von wenigen Profis meinem Beruf nachgehen und gleichzeitig meine Familie und Freundin um mich haben. Das ist Luxus.
Wie motiviert man sich Tag für Tag, Woche für Woche, immer Vollgas zu geben, wenn man nicht davon ausgehen kann, am Wochenende spielen zu dürfen?
Ich liebe meinen Job. Deshalb gebe ich jeden Tag Vollgas. Es ist nicht davon auszugehen, und ich wünsche es Kenneth auch nicht, aber es kann jeden Tag etwas passieren und für genau diesen Moment muss ich einhundertprozentig Prozent vorbereitet sein. Und genau daraus ziehe ich meine Motivation.
Wie können Sie der Mannschaft helfen? Und wie haben Sie der Mannschaft in der Vergangenheit geholfen. Beispielsweise als es letztes Jahr gegen den Abstieg ging.
Letztes Jahr war ich selbst Bestandteil der ersten Elf. Dieses Jahr habe ich eine andere Rolle in der Mannschaft. Ich versuche den Jungs, immer wieder Mut zu zusprechen, ich unterstütze sie, klopfe ihnen immer noch einmal auf die Schulter. Gerade Kenneth sporne ich beim Aufwärmen immer wieder an, sei es beim Training oder vor dem Spiel. Und so trage ich meinen Teil bei.
Sie scheinen sich also zu verstehen.
Ja, zwischenmenschlich passt es zwischen Kenneth und mir sehr gut.
Mit einer Unterbrechung von drei Jahren spielen Sie bereits seit 1997 für Holstein Kiel. Vom Jugend- zum Profispieler – Sehen Sie sich als Vorbild für die Holstein-Jugend?
Ich denke, dass man das sicherlich so sehen kann. Man sollte jedoch auch beachten, dass es damals seine Gründe hatte, warum ich Holstein Kiel verlassen habe. Mein damaliger Weggang hat mir erst die spätere Rückkehr ermöglicht. Wäre ich bei Holstein geblieben, dann wäre ich niemals ein Bestandteil der ersten Mannschaft geworden. Davon bin ich überzeugt. Doch in den letzten Jahren hat sich viel getan. Meiner Meinung nach könnte man weniger mich, sondern viel mehr Finn Wirlmann, Fabian Arndt oder Hauke Wahl als Vorbilder für die Holstein-Jugend nehmen. Das sind bessere Beispiele. Die Jungs zeigen die Entwicklung von Holstein in Bezug auf die Jugendarbeit in den letzten Jahren.
Wie meinen Sie das?
Damals hat man bei Holstein noch nicht so sehr auf die Jugend gesetzt wie man es heute macht. Aus diesem Grund musste ich damals einen anderen Weg gehen, der mich schlussendlich wieder zurückgebracht hat.
Platz drei ist Ihnen nur noch theoretisch zu nehmen. Wen wünschen Sie sich für den Fall der Relegation als Gegner und warum? Zur Auswahl stehen Aue, Aalen, FC St. Pauli, 1860 München und Fürth.
Über mögliche Relegationsgegner habe ich mir bisher keine Gedanken gemacht, weil ich hoffe, denke und auch glaube, dass wir es vorher packen werden. Ich bin davon überzeugt. Wir wollen den Aufstieg und befinden uns in einer prächtigen Ausgangssituation. An die Relegation verschwenden wir derzeit keine Gedanken, da noch viel passieren kann – gerade im Abstiegskampf der zweiten Liga. St. Pauli ist ein sehr attraktiver Verein, wäre jedoch einer der schwerer zu bespielenden Gegner, alleine aufgrund des lautstarken Publikums. Dagegen zu spielen, ist nicht leicht. Auch wenn unsere Fans uns ebenso grandios unterstützen.
Regelmäßige Zuschauer Ihrer Spiele können immer wieder beobachten, dass Sie der einzige Spieler sind, der immer, auch bei Regen, auf der Bank am Spielfeldrand sitzt und nie auf die überdachte Bank im Hintergrund flüchtet. Wie kommt’s?
Ich sitze grundsätzlich auf jeder Auswechselbank immer am weitesten vom Trainer entfernet. Das hat nichts mit dem Trainer zu tun, aber ich bin quasi das Ende der Kette, die beim Trainer beginnt. Das ist natürlich auch Aberglaube. Deshalb setze ich mich da auch nicht weg, wenn es regnet. Dazu kommt: Ich muss auch einfach so nah es geht am Spielgeschehen sitzen, damit ich die Jungs richtig unterstützen kann.
Sie haben eine fantastische Rückrunde hingelegt, ernten derzeit die Früchte der konstant guten Leistungen Ihres Teams. Was macht Holstein Kiel in dieser Spielzeit so stark?
Das Kollektiv. Wir sind mannschaftlich sehr geschlossen. Wenn einer nicht kann oder es bei einem nicht läuft, wird einer von der Bank reingeworfen. Und die Ersatzspieler funktionieren einfach. Unser großes Plus ist, dass wir Spieler auf der Bank haben, die auf ihre Einsätze brennen und den Jungs aus der ersten Elf in Nichts nachstehen. Alle haben so viel Power und Kraft. Das macht uns einfach stark.
Die Stärke von Holstein fällt auf. Gegenspieler werden schnell unter Druck gesetzt, die Arbeit gegen den Ball funktioniert. Holstein gilt als eine der härtesten Mannschaften in der Liga und grüßt in der Fairnesstabelle der Dritten Liga trotzdem vom Thron. Wie geht das?
Wir spielen aggressiv, aber intelligent. Wir agieren nicht überstürzt und hacken auch nicht wild drauf. Das hat viel mit Cleverness zu tun.
2013 durften Sie nach dem Relegationssieg gegen Hessen Kassel den Aufstieg in die Dritte Liga feiern. Nur zwei Jahre später, könnte Ihnen mit dem Zweitligaaufstieg der ganz, ganz große Coup gelingen. Beschreiben Sie uns doch einmal, wie Sie die beiden Spielzeiten wahrgenommen haben.
Hätte uns letzten Sommer jemand erzählt, dass wir zwei Spieltage vor Saisonende um den Aufstieg mitspielen, hätten wir demjenigen wohl den Vogel gezeigt. Es ist einfach unbeschreiblich. Wir haben eine Welle losgetreten, auf der wir die ganze Zeit reiten und von der wir alles mitnehmen. Man kann es kaum beschreiben. Wir merken, dass wir keinen Druck haben. Unser Ziel war es, dass wir uns im Vergleich zur letzten Saison verbessern. Das hatten wir relativ früh erreicht. Dann kam die Überlegung, dass es ganz angenehm wäre, sich direkt für den DFB-Pokal zu qualifizieren. Als das dann auch erreicht war, kam der Relegationsplatz, den wir nun auch so gut wie sicher haben. Es ist Wahnsinn, was wir uns zusätzlich zu unserem eigentlichen Ziel alles erarbeiten konnten. Und das ohne jeglichen Druck.
Ohne Druck spielen zu können – Genau davon sprach → Ralf Heskamp im Interview mit uns.
Die Situation im Winter war perfekt für uns. Wir standen im Mittelfeld und keiner hatte uns auf der Rechnung. Ich glaube auch, dass uns bis vor wenigen Spieltagen einige noch immer nicht auf dem Zettel hatten und gedacht haben, dass wir noch einknicken.
Verspüren Sie ein anderes Feeling in der Stadt? Wird man beim Eis-Essen angesprochen auf einen möglichen Aufstieg?
Nein, nein. Überhaupt nicht.
Wer genau hinsieht, erkennt, dass Sie oft Dinge mit der Aufschrift „Never Quit“ tragen. Erzählen Sie doch einmal, was es damit auf sich hat.
„Never Quit“ ist eine Art Lebensmotto von mir. Ich hatte schon sehr viele Rückschläge, besonders in meiner Laufbahn als Sportler. Gerade auch bei Holstein Kiel. Ich habe oft neue Leute vor meine Nase gesetzt bekommen und doch habe ich nie aufgehört daran zu glauben, dass ich mich über kurz oder lang erneut durchsetzen kann. Da passt mir die Marke „Never Quit“ und das Lebensmotto einfach super. Wenn ich den Schriftzug lese, weiß ich: Du musst kämpfen!