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Bergmann-Entlassung: „Nachvollziehbar und naiv“

Ohwei Hansa! Die Pokalleistung beim blamablen 1:2 gegen Neubrandenburg setzte einer verkorksten Rückrunde die Krone auf. Der Verein trennte sich infolge der desaströsen Vorstellung vom Trainerduo Bergmann-Reinke. Eine emotional getroffene Entscheidung die zwar legitim erscheint – aber längst nicht dem neuen Credo des Vereins entspricht.

Die Flutlichter in der DKB-Arena leuchteten noch über zwei Stunden nach dem Abpfiff der erneuten Rostocker Landespokalblamage hell im Nachthimmel der Hansestadt auf. Zu dieser Zeit war das Licht von Andreas Bergmann als Hansa-Trainer längst erloschen, wenige Minuten vor Elf hatte der Verein nämlich die Beurlaubung des zweiköpfigen Trainerteams bekannt gegeben. Eine Entscheidung, die wenig überraschte, schließlich war die Unzufriedenheit über die sportliche Situation bereits seit Wochen im Vereinsumfeld zu spüren.

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Es waren teilweise peinliche Vorstellungen die der FC Hansa in den vergangenen Wochen ablieferte, individuelle Fehler und das sukzessiv schwindende Selbstvertrauen bildeten die Melange, die den ehemaligen Bundesligisten geradewegs in die Krise führte. Anders als im Herbst des vergangenen Jahres fand Andreas Bergmann dieses Mal keinen Weg aus der Misere.

Dabei ist die Beurlaubung auf dem ersten Blick absolut gerechtfertigt. Die Mannschaft enttäuschte nicht nur beim Pokaldesaster, sondern bot besonders gegen Darmstadt und Saarbrücken katastrophale Leistungen an. Die Zuschauerzahlen in der DKB-Arena gingen besorgniserregend zurück, die Konkurrenz aus dem Mittelfeld zog entweder vorbei, oder pirschte sich zumindest auf wenige Punkte heran. Der Status Quo verschafft dem Entschluss von Vereinschef und Aufsichtsrat zweifellos Legitimität.

Fakt ist neben der dürftigen sportlichen Bilanz zudem, dass Andreas Bergmann seine Vorstellungen aus dem Sommer nicht umsetzen konnte: Im Interview bei BLOG-TRIFFT-BALL formulierte Bergmann damals noch selbstbewusst: „Es muss unser Ziel sein, dass die Zuschauer im Stadion attraktive Spiele sehen und ich hoffe, dass das Rostocker Publikum auch so denkt.“ Ein Ziel dass Andreas Bergmann nur in wenigen Spielen mit seiner Mannschaft allenfalls tangieren konnte. Nicht vergessen darf man, dass auch in der erfolgreichen Zeit die meisten Siege – die Auswärtspartien in Leipzig und Wiesbaden ausgeklammert – mehr erkämpft als erspielt wurden. Die Tabelle fungierte oftmals als Euphemismus für das wahre Leistungsvermögen der Rostocker Mannschaft.

Doch wie ist die Entscheidung perspektivisch zu sehen? Nicht alles was das Duo um den Trainer und Sportvorstand Uwe Vester anpackte, schlug fehl. Verpflichtungen wie Julian Jakobs, David Blacha und Dennis Weidlich, die bis auf den Letzteren niemand auf dem Zettel hatte, schlugen ein. Linksverteidiger Fardi und Innenverteidiger Ruprecht stellten zwar keine Topverpflichtungen dar, als Transferflops darf man sie dennoch nicht deklarieren. Gemeinsam mit vielversprechenden Talenten, die Bergmann zusehends in die Mannschaft zu integrieren versuchte, war ein Gerüst für die kommende Spielzeit bereits konstruiert. Der Verein steckt nicht im Abstiegskampf, die Klasse ist den Rostockern viel mehr theoretisch als praktisch zu nehmen. Erstmals seit langer Zeit hätte der Verein die Chance gehabt, die Endphase einer Spielzeit für die Vorbereitung auf die kommende Saison zu nutzen. Experimente durchzuführen, die dabei helfen das Mannschaftsbild neu auszutarieren und die großen Schwächen im Sturm und Verteidigung zu reparieren. Dieser Chance hat man sich nun selbst beraubt.

Bei Betrachtung der Bergmann-Vita lässt sich feststellen, dass die perspektivische Arbeit bei seinen Stationen beim FC St. Pauli und Hannover kurz nach seiner Ablösung Früchte trug. Selbst ein Torhüter aus Hamburger Tagen, den der geschasste Hansa-Trainer einst selbst durch einen anderen ersetzt hatte, bestätigte den Einfluss des 54-Jährigen auf den späteren Höhenflug des Kiezklubs „Die positive Entwicklung vom FC St. Pauli in den letzten Jahren ist auch auf Andreas Bergmann zurückzuführen. Er hat die Grundlagen entscheidend mitgelegt.“ Auch prominente Ex-Spieler wie Hanno Balitsch, den BLOG-TRIFFT-BALL im Rahmen eines Hintergrundgesprächs befragte, bestätigten mit großer Vehemenz die Wichtigkeit der Bergmann-Arbeit für spätere Erfolge.

Bleibt die Frage, warum die Mannschaft nach der Winterpause so stark einbrach. Hier muss sich der einstige Hoffnungsträger, dessen Berufsportfolio eigentlich perfekt nach Rostock passte, auch kritischen Fragen stellen. Zum Beispiel, warum der Fußballlehrer mit einer unglaublichen Penetranz auf den zwar jederzeit leidenschaftlichen, aber im Endeffekt erschreckend harmlosen Halil Savran im Sturmzentrum setzte und den torgefährlicheren Johan Plat entweder verschmähte, oder auf der „Zehn“ deplatzierte. Agierte Bergmann zu philanthropisch in Richtung einiger Akteure, sprich war die Beziehung zu einzelnen Spielern zu eng? Fehlte die nötige Härte?

Einem alteingesessenen Journalisten, der dem Trainer keineswegs schlecht gesinnt war, fehlte diese nämlich in bestimmten Situationen. Zum Beispiel als Hansas-Kapitän Sebastian Pelzer bereits im vergangenen Herbst in einem NDR-Interview recht offensichtlich eine opponierende Haltung gegenüber dem Trainer einnahm, die sich auch nachdem Saarbrückenspiel nochmalig offenbarte.

Dabei geht es noch nicht einmal  alleine um den Leitwolf in der Mannschaft, dem böse Zungen eine gewisse Hybris nachsagen. Es ist mit den Führungsspielern ein generelles Problem das der FC Hansa seit Jahren hat.

Die Hierarchie in der Mannschaft, die in der Spitze schon einige Jahre ohne große Impulse von außen überdauert, wird keineswegs von den absoluten Leistungsträgern gebildet. Bloße Führungsqualitäten sollten jedoch nicht der einzige Anspruch an die Rädelsführer sein. Ein Teamleader muss auf dem Platz nicht nur verbal das „Sagen“ haben, sondern sollte zudem auch sportlich das Zepter als unverzichtbarer Leistungsträger übernehmen. Ist ein Leitwolf austauschbar und ist diesem das auch bewusst, sind konspirative Spannungen und interne Machtspiele quasi vorprogrammiert.

Diese Verkrustungen beim Neustart nicht gänzlich aufgebrochen zu haben könnte sich nachträglich als größter Kardinalsfehler erwiesen haben. Dabei sei zwingend betont, dass der exemplarisch aufgeführte Rostocker Kapitän längst nicht so weit leistungstechnisch abfällt wie gerne kolportiert wird.

Ganz zum Schluss gilt es zu hinterfragen, wie dieser Schritt finanziell zu werten ist. Logisch betrachtet ergibt die Entlassung nämlich aus pekuniären Motiven kaum Sinn. Denn der FC Hansa Rostock ist zwar dank des großen Engagements von Michael Dahlmann wirtschaftlich auf dem Weg der Rehabilitation, doch kann sich der Klub überhaupt ein zusätzliches Trainergespann leisten? Denn der FC Hansa hat durch das nun wahrscheinliche Verpassen des DFB-Pokals Geld eingebüßt und nicht gewonnen. Folglich ist die Bergmann-Beurlaubung ohne existenzielle Bedrohung eine luxuriöse Option, die sich der Klub theoretisch gar nicht leisten kann. Interessant wäre es zu wissen, inwieweit der anvisierte Schuldenerlass, der seit einigen Wochen im Raum steht, die Entscheidung beeinflusst hat. Würde dem so sein, wäre es ein gravierender Rückschritt in alte Praktiken.

Ein Resümee zu ziehen, gerade nach so einer Niederlage, fällt schwer. Die Trainerentlassung von Andreas Bergmann erscheint von der Faktenlage her als nachvollziehbar und spätestens durch das unrühmliche Ausscheiden aus dem Landespokal wurde diese zumindest emotional legitimiert. Dennoch entsteht der Eindruck, dass die Ungeduld der Verantwortlichen die Chance auf ein wenig mehr Kontinuität verbaut hat. Der nächstliegende Schritt ist nämlich nicht immer die beste Option, auch im Hinblick auf die nun nahende alljährliche Trainersuche. Mit Andreas Bergmann verliert der Klub einen der renommiertesten Jugendförderer der Republik und einen Menschen, der sich in seiner Art wohltuend von dem üblichen Trainer-Mainstream abhebt.

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Eine Enttäuschung ist auf jeden Fall die Art und Weise der Beurlaubung. Es wirkt so, als ob die Vereinsführung mit aller Macht den Trainer nach der bitteren Niederlage als alleinigen Sündenbock darstellen will. Durch die Kurzfristigkeit wirkt alles sehr reaktionär und konterkariert dadurch den sehr guten Eindruck, den Michael Dahlmann in finanziellen Fragen bisher hinterließ.

Für Andreas Bergmann bleibt ein Zitat seines Idols  Neil Young als kleiner Trost. „It’s better to burn out than to fade away.“ Denn manchmal ist es besser auszubrennen, als langsam zu verblassen. Vor allem wenn das Vertrauen aus den entscheidenden Gremien nicht erst seit den letzten Wochen fehlt.

 

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.