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Darum ist Denis Weidlich unser Hansa-Spieler des Jahres

David Blacha ist der Spieler der Saison, zumindest nach Ansicht der breiten Masse der Hansa-Anhänger. Der Deutsch-Pole, mit neun Toren an dem einen oder anderen Sieg maßgeblich beteiligt, glänzte tatsächlich als bester Torschütze. Die Nummer 1 der Saison ist nach dem Urteil von BLOG-TRIFFT-BALL-Autor Hannes Hilbrecht aber keineswegs die Offensivkraft, sondern ein Defensivakteur.

Foto:hammoniaview.de

Jeder, der nach einem zünftigen Unwetter schon einmal diverse Schäden zu beklagen hatte, weiß, dass eine gute Versicherung manchmal mehr als Gold wert ist. Besonders glücklich ist man dann, wenn die Assekuranz erst kurz vor dem Schadensfall abgeschlossen wurde. Dem FC Hansa Rostock ist dies im letztem Jahr gelungen. BLOG-TRIFFT-BALL kürt Denis Weidlich somit nicht nur zur Lebensversicherung der Saison, sondern ernennt ihn gleichzeitig zum besten Hansa-Spieler der vergangenen Spielzeit.

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Dabei war die Beziehung zwischen dem Deutsch-Ghanaer und dem FC Hansa nur sehr schleppend gestartet. Das lag zunächst einmal daran, dass der FC Hansa und der vermeintliche Offensivspieler eine gemeinsame Vergangenheit besaßen. Weidlich, bekannt geworden durch sein beständiges Spiel bei Rot-Weiß Erfurt, hatte den Rostockern nämlich ein Jahr zuvor – trotz heißen Flirts – einen Korb gegeben. Zweitligist Regensburg – damals trotz Zweitligaaufstieg lange nicht so sexy wie der FC Hansa –  lockte mit Geld und spielte einfach im wahrsten Sinne des Wortes in einer höheren Liga. So war es wenig verwunderlich, dass sich noch viele „Verprellte“ an den letztjährigen Korb erinnerten.

Doch basierten die Zweifel längst nicht nur auf Emotionen der Vergangenheit, sondern auch fachmännisch waren dezente Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Verpflichtung gegeben. Der flexible Mittelfeldakteur hatte in Bayern nämlich nicht die Erwartungen erfüllt, zudem erwies sich Weidlich als zu teure Investition, die Regensburg durch den Abstieg sogar ziemlich nötig loswerden musste.

Die Zweifel der kritischen Fans fanden schnell Nahrung, denn für den Mittelfeldaußen war zunächst kein Platz im Team. Die ersten Auftritte als Ergänzungsspieler vermochten es zudem kaum, dass allgemein kritische Bild zumindest ansatzweise zu vertuschen. Doch dann kam das Spiel, dass im Nachhinein vieles verändern sollte. Gegen die Stuttgarter Kickers debütierte der Offensivakteur auf ungewohnter Position in der Innenverteidigung, beeindruckte durch seine veritable Antizipationsfähigkeit und seiner Dynamik. Attribute, die vor allem der meinungsstarke Kapitän Sebastian Pelzer und der etwas hölzern wirkende Steven Ruprecht zuvor im Profil der Rostocker Innenverteidigung vermissen ließen.

Diese Neupositionierung des Wunscheinkaufes half zwar noch nicht beim 0:2 in Stuttgart, rettete aber beim anschließenden Erfolg gegen Halle Andreas Bergmann den Job. Die Mannschaft, endlich durch das neue Duo Weidlich-Ruprecht stabilisiert, startete ihren Siegeslauf, der vor allem auf der nun sicheren Abwehrreihe beruhte. Es waren schließlich keine offensiven Glanzleistungen – mit Ausnahme der Spiele in Leipzig und Wiesbaden –  die den Mecklenburger Weg in Richtung Aufstiegsplätze ebneten.

Leistungen, die im Weidlich-Umfeld auf freundschaftlichen Flachs trafen: „Wir haben uns immer ein wenig lustig gemacht. Weil er eigentlich überhaupt kein Innenverteidiger ist, aber die Position so gut spielt“, berichtet Bruder Kevin bei BLOG-TRIFFT-BALL. Das sein Bruder die Position so gut spielen kann, überrascht Weidlich hingegen wenig: „Wir haben alle im Käfig auf einem Gummi-Platz angefangen. Da spielt jeder alles, da kam ihm bestimmt zugute.“

Wichtige Blacha-Tore gegen Erfurt und Elversberg wären ohne sicheren Abwehrverbund schließlich keine Siegtore gewesen. Insbesondere der Weidlich-Auftritt bei RB Leipzig, der von zahlreichen Superlativen des kommentierenden MDR-Journalisten begleitet wurde und auch im „Kicker“ gebührend Erwähnung fand, blieb nachhaltig in Erinnerung.

Das in der Rückrunde auch bei Weidlich der Fuß ab und an zitterte, war nicht der Grund für eine verunsicherte Mannschaft, sondern viel mehr die logische Konsequenz. Trotz drastischer Unterlegenheit, besonders in den Startsequenzen der Partien gegen Heidenheim, Darmstadt und Duisburg, hielt die Rostocker Hintermannschaft in den meisten Spielen die Schlagdistanz zum Gegner. Eine 0:1-Niederlage ist in den meisten Fällen mehr das protokollierte Versagen der Angriffsbemühungen, als der Verdienst schlampiger Defensivreihen.

Eben da wird auch Blacha kritisierbar. Wie besonders die gut eruierten Momente des sympathischen Shootingstars auch waren, fernab dieser teilweise brillanten Geistesblitze fehlte in schwierigen Situationen oftmals der Blacha-Faktor. Spielte die ganze Mannschaft harmlos, hing auch Blacha in der Luft. Das ist zwar nie die Schuld des einen, aber dennoch ein Fakt, der bei aller Belobung registriert werden muss.

Was Weidlich aber letztendlich ganz nach vorne im Notizheft von BLOG-TRIFFT-BALL brachte, war der Auftritt im letzten Ligaspiel von Andreas Bergmann. Passenderweise wie in der Vorrunde gegen die Stuttgarter Kickers, brüskierte Bergmann die kritisierende Medienmeute und die erneut am Stuhl rüttelnde Aufsichtsrat-Expertise mit einer wundersamen Aufstellung.

Denn Weidlich rückte von der Innenverteidigung auf die Zehn, sollte das behäbige Rostocker Spiel von vorderster Front ankurbeln. Ein Schachzug des Fußballfachmanns, der dieses Mal bereits nach wenigen Augenblicken aufging. Weidlichs Pässe schnitten immer wieder Tiefe Wunden in die Defensivreihen der Gäste, technisch versierte Antritte mit Ball überbrückten immer wieder den neutralen Bereich zwischen den beiden Abwehrreihen in eiliger Manier. Eilig, aber nur selten hastig. Dass der FC Hansa mit einem 2:0 im Rücken pausierte, war zu großen Teilen der Verdienst vom Rostocker Fünfer. Das der FC Hansa am Ende mit einem 2:2-Remis die Ehrenrunde antrat, lag am in der Innenverteidigung fehlenden Weidlich. Dieser spielte selbst zwar weiter stark, aber der von der Personalnot in die Startelf protegierte Kapitän patzte ebenso wie sein Nebenmann. Vielleicht lag es an den offenbarten Abwehrschwächen, dass Bergmann das eigentlich gelungene Weidlich-Experiment schon im Pokal gegen Neubrandenburg absetzte.

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Eben hier wurde der Fußball ironisch. Denn das Weidlich den längst anvisierten Bergmann-Rausschmiss mit einem tollpatschigen Eigentor final beschleunigte, passte gar nicht zur Geschichte der Beziehung zwischen Förderer und Geförderten.

Zuletzt deutete sich zumindest nach den Vester-Überlegungen – der in dieser Personalie übrigens hervorragend hantierte – ein erneuter Positionswechsel für den gebürtigen Hamburger an. Die Doppel-Sechs soll Weidlich künftig variierend gestalten. Doch dabei sollte es nicht bleiben. Das Kapitänsamt ist für den vielleicht wichtigsten Spieler im Hansa-Kader prädestiniert. Die Erfahrung und das besonnene, aber keineswegs überkandidelte, Auftreten spricht neben den sportlichen Qualitäten für den bald 28-Jährigen. Das lobt übrigens auch der „andere“ Weidlich: „Er ist ein Spieler, der sich in den Dienst der Mannschaft stellt. Dann spielt er halt auch dort, wo er gebraucht wird. Ich weiß, dass er sich auch in der Defensive wohl fühlt. Das ist das Wichtigste.“

 

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.