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Dritte-Wahl-Frontmann Gunnar Schröder im Interview

Düsseldorf hat die Hosen, Berlin die Ärzte und Rostock Dritte Wahl. Frontmann Gunnar Schröder (re.) ist dabei nicht nur leidenschaftlicher Musiker, sondern auch ein ebenso emotionaler Fußball-Fan. Genauer gesagt: Hansa-Fan. Ein Gespräch über den FCH, seine Auftritte auf dem Hamburger Kiez und die Liedkultur in deutschen Stadien.

 

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Gunnar, wie eng bist Du mit dem FC Hansa Rostock?
Der FC Hansa Rostock ist ein großer Teil meines Lebens. Ich bin schon mit meinem Vater zu den Spielen ins alte Ostseestadion gegangen und halte dem Verein auch aus der Ferne die treue. Im letzten Jahr war ich beim Spiel in Münster, das ja ordentlich daneben ging und wo wir richtig einen drauf bekommen haben. Ich stand mit meinem Hansa-Trikot im Münsterbereich und ein Preußen-Fan bot mir ein Bier als Gegenleistung für die drei Punkte an. In Münster ist die Stimmung einfach sehr gut und  die Fans loben immer wieder den Support aus Rostock. Auch wenn ich in Hansa-Kluft durch Münster laufe, dann gibt es da keine Pöbeleien oder sonstige Probleme. Ich gehe auch zu normalen Preußen-Spielen, ausgerechnet als Hansa da war, hatte ich leider keine Zeit und war unterwegs.

Richtig einen draufbekommen haben zuletzt aber nur die Hansa-Gegner. Die Jungs rocken wieder.
Ja, die rocken ordentlich in den letzten Wochen. Es ist einfach schön zu sehen, dass sich hier wieder etwas entwickelt. Auch wenn man nicht wegen der Erfolge Fan von etwas ist, freut man sich doch sehr über die Siege seiner Mannschaft.

Wie oft und wo bist Du denn im Stadion anzutreffen?
Ich habe es aufgrund unserer terminlichen Situation erst zu einem Spiel geschafft. Das war damals gegen Halle, als die Jungs den Bock umgestoßen haben. Also ein sehr erfolgreicher Auftritt. Wenn ich im Stadion bin, dann immer im Block 1. Daran wird sich auch nichts ändern. Oh halt, bevor ich es vergesse. Ich war auch beim Benefiz-Spiel gegen die Bayern, weil mein Sohn unbedingt dahin wollte. Der ist nämlich Bayern-Fan und ja, ich frage mich auch ab und an wie das passieren konnte.

Gab es einen Hansa-Spieler den du gerne in der Band gehabt hättest?
Ja den gab es wirklich. Christian Brand war es damals, den ich sehr gut fand. Der spielte auch privat Gitarre und war regelmäßig bei Konzerten in den einschlägigen Klubs anzutreffen.

Wie ist das Band-Verhältnis zu St. Pauli? Als Punkband ist ja Hamburg kein schlechtes Pflaster.
Nein, also ich gebe ganz ehrlich zu, dass ich mich auch freue wenn St. Pauli gewinnt. Ich bin da sehr offen, wenn wir aufn Kiez spielen, dann bekennen wir uns offen als anonyme Hansafans. Da gibt es zwar paar kleine Schmähungen, aber die bewegen sich auf der normalen und erwünschten Ebene der gesunden Rivalität. Vor allem denke ich, dass diese Feindschaft zwischen St. Pauli und uns längst überholt ist. Diese Spannungen, woraus dass damals gewachsen ist, sehe ich zum Glück nicht mehr. Ich habe mich übrigens sehr geschämt, als damals die Chaoten beklatscht wurden, die Raketen in den Pauli-Block schossen.

Du meinst mit „überholt“ bestimmt auch das Engagement von Hansa-Fans gegen die braunen Idioten und die tolle Arbeit die der Verein leistet.
Ja, auf alle Fälle. Mich hat es über Jahre hinweg aufgeregt, dass immer gesagt wurde: Nee, wir haben solche Probleme nicht. Jetzt sieht man, dass was gemacht wird. Ich habe damals im Stillen gedacht: Muss das mit Hansa sein, wenn da immer wieder Schlagzeilen über die Nazis kommen? Am Ende war für mich jedoch immer klar: Diesen Arschlöchern überlasse ich den Verein nicht. Von daher freut mich die jüngste Entwicklung sehr.

Reden wir über einen anderen Verein. Ihr engagiert euch sehr beim unterklassigen Rostocker FC. Wie kam es dazu?
Wir hatten schon früher einmal darüber nachgedacht, es dann aber irgendwie vernachlässigt. Als wir gesehen haben, dass FeineSahneFischfilet die Idee bis zum Schluss durchgezogen hat, war für uns klar: Jetzt ziehen wir nach.

Wieso war das Euch so wichtig?
Weil der Verein unwahrscheinlich viel tut. Es ist ein Treffpunkt für Menschen aus verschiedenen Bereichen und schließt diese zu einer großen Gemeinschaft zusammen. Das finde ich toll, weil der Rostocker FC den Aufgaben eines Vereins wirklich auf allen Ebenen nachkommt.

Die Idee mit dem Trikotsponsoring haben ja die Toten Hosen schon mehrmals in Düsseldorf umgesetzt. Du bist großer Hosen-Fan, wie war es mit Campino hinter der Bühne?
Es war ein tolles Erlebnis. Nach dem Hosenkonzert, was wieder einmal grandios war, haben wir angestoßen und kurz gequatscht. Ich glaube, wir hätten noch länger quatschen können, aber irgendwie wollte ich ihn nicht auf der Tasche liegen. Ein Typ wie Campino wird ja von vielen Menschen umlagert. Großartig war natürlich, als er direkt nach unseren Auftritt zu uns kam und sagte: „Das war ’ne sehr gute Show“.  Das Konzert der Hosen habe ich übrigens nicht backstage verfolgt, sondern bin ins ins Pulk gegangen.

Die Hosen spielen Tischtennis vor ihren Konzerten. Habt ihr ein ähnliches Ritual?
Nein, wir haben bei uns nichts Festes. Wenn Zeit bleibt, kicker ich gerne mit ein paar Jungs am Tisch.

Wo spielt ihr am liebsten?
Rostock, Berlin und Hamburg sind schon unsere leicht favorisierten Adressen. Gerade in Berlin ist immer viel los und die Menschen da sind super. Unser Bandtrip nach Kuba war  auch großartig. Da kannte uns keiner und wir sind bei null gestartet. Insgesamt sind wir schon sehr zufrieden mit unseren Werdegang und den Orten die wir bespielen konnten. Dass wir einmal komplett autonom, mit eigenen Label und Merchandise bestehen können, hätten wir nie im Leben erwartet.

Gibt’s nochmal eine Hansa Platte?
Geplant ist zurzeit nichts in die Richtung, aber ich würde gerne nochmal in der Arena spielen. Das ist so ein kleiner Traum von mir. Es macht mich auch immer stolz wenn mal ein Lied von uns im Stadion gespielt wird und paar Fans sogar mitsingen können.

Hast du ein Lieblingsfußballsong?
Ja, den von 1996. „It`s coming home“ hieß der Hit glaube ich. War auf jeden Fall eine geile Nummer, auch wenn ich den Interpreten nicht parat habe. Lieder wie „You`ll never work alone“ sind leider schon ziemlich ausgelutscht. Generell finde ich aber, dass es wieder mehr auf die Fans ankommt. Alle singen irgendwie das gleiche, die Melodien sind sich alle sehr ähnlich und nur die Vereinsnamen werden ausgetauscht. Es fehlt mir da die Kreativität zu neuen Wegen. Man wird im Stadion nicht mehr von Gesängen überrascht, alles hat man schon irgendwie mal gehört.

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Wir kommen langsam in die Schlussviertelstunde. Gab es für dich ein absolutes Highlight als Musiker?
Schwierige Frage. Ich glaube einer unter vielen war, als wir bei einem Festival das erste Mal vor 20000 Zuschauer gespielt haben. Das hat schon Spaß gemacht.

Und dein Höhepunkt als Hansa-Fan?
Das war ein 3:2. Damals als wir die Bayern nach Hause geschickt haben und Oliver Kahn das Ding in der Nachspielzeit reingefaustet hat. Es war ein legendärer Moment der Bundesliga und ich war live dabei. Damals gegen Dynamo Berlin wären wir wahrscheinlich mit einem 3:3 nach Hause gegangen, weil der Schiedsrichter mit Sicherheit auf Tor entschieden hätte. Bochum ist natürlich auch ein Evergreen, wir waren damals aber leider auf Tour und zum Zeitpunkt des Spiels im Bus unterwegs. War aber ne ganz gute Radioreportage.

Gunnar, das hat Spaß gemacht. Was wünscht du dir fürs kommende Hansa-Jahr?
Ich hoffe dass es so weitergeht. Der Verein gehört in die 2. Liga und vielleicht kann man dann mal wieder vom Bundesligafußball träumen. Wenngleich dieser zurzeit wirklich höchst illusorischer Natur ist.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.