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Vollmanns Fitness-Fauxpas

Die Erklärungen, die Peter Vollmann für die Hansa-Krise brachte, sie werden seit Sonntag heiß diskutiert. Fieses Nachtreten gegen den Vorgänger oder doch plausibles Alibi? Wir fragten nach. Bei Ex-Hanseat Leo Haas, einem Fitness-Experten aus Hamburg, Kultkicker Stefan Schnoor und im Archiv fanden wir auch noch ein starkes Zitat vom ehemaligen Hansa-Trainer Dirk Lottner.

„Läuferisch werde ich die Mannschaft in dieser Saison nicht mehr auf 100 Prozent bringen.“

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„Wir erfüllen momentan einfach nicht die Laufqualität, die man über 90 Minuten braucht. Es liegt nicht an dem Willen der Spieler, sondern daran, dass sie nach einer gewissen Zeit einfach nicht mehr können.“

Es waren nicht alltägliche Aussagen eines Cheftrainers. Ganz und gar nicht alltäglich, sondern sehr speziell. Peter Vollmann, vor gut vier Monaten als großer Hoffnungsträger wiedergekehrt und nun im Drittliga-Schlamassel angekommen, fand deutliche Worte gegenüber seinem Vorgänger. Erst subtil zwischen die Zeilen gelegt, dann aber überraschend offen ins NDR-Mikro: Er müsse erst die Scherben seiner Vorgänger aufkehren, hieß es dort. Jan Didjurgeit, einer der renommiertesten Journalisten im Umkreis des Vereins, formulierte es dann in einem Beitrag – „Vollmanns Bankrott-Erklärung“.

 > Vollmanns Bankrott-Erklärung | NDR.de – NDR 1 Radio MV <

Es waren Statements über die mangelnde Kondition der Spieler. Die bereits am Samstag, direkt nach dem Spiel, polarisierten. Einige kritisierten mit spitzer Feder scharf, andere wiederum, dem Trainer etwas wohlgesonnener, schoben es auf den Frust nach dem Spiel. Für den ehemaligen Bundesliga-Spieler Stefan Schnoor, im Übrigen vor acht Jahren ein Vollmann-Schützling bei den Kieler Störchen, sind die Aussagen seines ehemaligen Trainers offenkundig: „So wie es klingt und auf mich wirkt, versucht da jemand, sich von den eigenen Fehlern frei zu sprechen.“

Pikant: Noch am Sonntag im Mitgliederforum, wurden die branchenunüblichen Unterstellungen wiederholt. Ganz unprätentiös den anwesenden Mitgliedern vorgelegt. Sodass auch die Berichte der Tageszeitungen überschwappten. Im Fokus nicht Interims-Sportdirektor und Trainer Peter Vollmann, sondern sein Vorgänger Andreas Bergmann. Dieser hätte falsch trainiert und ein Minenfeld hinterlassen. Die Mannschaft sei in einem so schlechten Zustand gewesen, dass Trainer Vollmann nun die Hände gebunden sind. Er ein Jahr bräuchte, um die Mannschaft richtig fit zubekommen. Um diesen Aussagen noch mehr Gewicht zu verleihen, wurden auch die alten Laktat-Grätschen der „BILD“ herausgeholt. Dieser konservativen Praxis des Laktattest hatte sich Vorgänger Bergmann nämlich entzogen. „Skandalös“, unkte bereits damals ein Teil der erzürnten Fan-Meute.

Nun könnten die Aussagen dastehen und für sich sprechen. Eine präzise Statistik, die den Verlautbarungen des Duos Vollmann-Dahlmann Glauben schenkt, ist schließlich vorhanden. Das Hansa-Team war schließlich im vergangenen Jahr die schlechteste Mannschaft in der zweiten Halbzeit und ist es auch in der aktuellen Saison. Das Problem: Die Anzahl der Gegner, die die Vollmann- und Dahlmann-Aussagen nicht mit Zustimmung bedenken, nimmt momentan beständig zu.

Dabei gab es bereits im Sommer eine klare Aussage zu dieser Thematik – übrigens von jemandem, der es wissen muss. Dirk Lottner nämlich, für vier Spiele die Hansa-Mannschaft übernehmend, bescheinigte seinem Vorgänger im ► BLOG-TRIFFT-BALL-Interview ein gutes Zeugnis: „Da hat ein Team leidenschaftlich und wissbegierig trainiert. Die Mannschaft war intakt und ganz wichtig war dabei, dass die Jungs zuvor mit jemanden gearbeitet hatten, der das Ziel verfolgte, ihnen etwas beizubringen.“ Der Kölner ergänzte zudem im Hinblick auf die bereits damals aufkeimenden Fitness-Vorwürfe: „Entsprechende Fitness-Tests zeigten, dass auch hier in der Vergangenheit ordentlich gearbeitet wurde und die Werte absolut im Rahmen waren.“

Bestätigt werden die Lottner-Aussagen zudem vom Kurzeit-Kapitän und Mittefelddirigenten Leonhard Haas. Dieser gegenüber BLOG-TRIFFT-BALL: „Wir haben unter Andreas Bergmann anders, aber sicherlich nicht schlecht trainiert. Es ging halt um fußballnahe Übungen und Intervalle. Er wollte uns dynamischer machen – was bei einem David Blacha zum Beispiel sehr gefruchtet hat.“

Das Nachkarten gegen den Kollegen, ein im Profifußball sehr verpönter Schachzug, lässt auf den hohen Druck schließen, der auf den Vollmann-Schultern lastet. Dabei wird die Richtigkeit seiner Aussagen angezweifelt. Wobei Vorsicht geboten ist – nur der aktuelle Trainer ist ganz nah bei der Mannschaft.

Dennoch wird die Kritik schärfer. Zum Beispiel von Stefan Schnoor. Der einstige Bundesligaspieler und heutige TV-Experte formuliert deutlich: „Vollmanns Aussagen sind Unfug. Sechs bis acht Wochen reichen in der Regel vollkommen aus, um eine Mannschaft auf das gewünschte Niveau zu hieven. Das ist für einen Trainer in der Regel die leichteste Disziplin.“

Hans Baudisch, Reha & Fitness-Trainer von Eintr. Norderstedt und ein Hamburger Fitnessguru, der neben anderen Vereinen auch für den FC St. Pauli und den HSV arbeitete, verwehrt sich in Unkenntnis der Fakten zwar einer gesamten Analyse –  bewertet die Aussagen zu den Fitness-Äußerungen aber wie folgt: „Wenn im Sommer die richtigen Schlüsse gezogen werden, Fehlentwicklungen klar diagnostiziert sind, dann braucht es in der Regel vier, eher sechs Wochen, bis ein Spieler sein Leistungs-Niveau ligagerecht erreicht hat, es sei denn er kommt aus dem Jugendbereich und ist noch nicht angepasst. Entscheidend ist immer eine vorhandene und regelmäßige Leistungsdiagnostik. Im Profi – Bereich gehört dies zum integrativen Training.“

► INTERVIEW: Dieser Sportwissenschaftler sagt: Vollmanns Aussage ergibt keinen Sinn. Und er erklärt den von Vollmann verwendeten Laktatwert „3,5“.

Die Laktattests im Allgemeinen, einer der Grundbausteine der an Andreas Bergmann adressierten Schuldzuweisungen, wird von Baudisch ebenso relativiert: „In der Sportwissenschaft  hat die Bedeutung dieser Tests als allein seeligmachender Wert zuletzt abgenommen. Viele Fachleute arbeiten verstärkt mit dem VO₂,max – Wert (maximale Sauerstoffaufnahme im Blut). Laktat-Werte sollten am besten eine sportlerbezogene Historie zeigen, also in regelmäßigen Abständen genommen sein. Dadurch entsteht eine Datenbank mit Werten von allen Spielern, um die Entwicklungen abgleichen zu können. Nur ein Laktat-Wert allein ist demnach von geringerem Aussagewert und nur eine Momentanaufnahme. Ferner spielt die Ernährung eine nicht unerhebliche Rolle. Das ganze Thema ist also komplexer als man denkt.“

Auf die Vorwürfe in Richtung Bergmann angesprochen, ergänzt Baudisch: „Das überrascht mich. Denn eigentlich besitzt er einen sehr guten Ruf und gilt in Fitnessfragen als kompetent.“

Lorenz Kubitz, Verantwortlicher für die Medien-Kommunikation an der Ostsee-Küste, betonte im Hinblick auf den Fragenkatalog von BLOG-TRIFFT-BALL, dass eben jene Laktat-Tests in Zukunft zum regelmäßigen Bestandteil der Fitness-Arbeit gehören würden. Eine genaue Laufstrecken-Analyse, wie sie von Experten empfohlen wird, liege allerdings nicht im Budget, so  Kubitz. Verständlich. Die Daten, beispielsweise vom Anbieter „Impire“, gelten als sehr kostspielig.

Dabei bilden die Aussagen der unterschiedlichen Experten ein munteres Stimmenpotpourri der norddeutschen Expertise, das sich in Anbetracht der Spieleraussagen vom Wochenende fast erübrigt: Wie aus Berichten von NDR1-Radio-MV zu vernehmen war, stritten Akteure wie Mannschafts-Star Denis Weidlich und Mustafa Kucukovic die konditionelle Schwächen als Hauptgrund für die Niederlage ab. Aleksandar Stevanovic sprach sogar von einem „Rundumpaket“, das Mängel aufweisen würde.

Zudem prägte sich die Szene der Max Christiansen Auswechslung nachhaltig ein: Dieser reagierte beispielsweise alles andere als entkräftet – sondern eher stinkig auf seine Herunternahme. Was Vollmanns-Argumentation erneut in Schwierigkeiten bringt. Wieso wurde der physisch vielleicht präsenteste Spieler ausgewechselt, obwohl gerade hier die Probleme liegen sollen?

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Irritationen, die noch weiter gesponnen werden können. Beispielsweise beim Spiel bei Fortuna Köln. Hierbei standen mit Blacha, Pelzer, Kucukovic und Weidlich nur vier Spieler aus dem Stamm-Kollektiv des gescholtenen Vorgängers im Aufgebot. Der erneute Einbruch in Halbzeit kam demnach vor allem mit neuen Kräften zustande. Ein Umstand, den Vollmann jedoch auch bestätigte und seine Neuerwerbungen in die Pflicht nahm. Neuzugänge, deren Laktatwerte zum Saisonstart völlig okay waren und es noch immer sind  – wie der Hansa-Pressesprecher auf die BTB-Anfragen antwortete.

Dabei wirkt der Kader durchaus so, als ob er personell besser geworden ist. Zumindest sollte er es sein – schließlich ging kein einziger Spieler den man halten wollte und Vollmann bekam weitaus mehr populäre Namen zugesprochen als die Direktive im letzten Jahr.

Leonhard Haas konnte sich sein Schmunzeln jedenfalls nicht gänzlich verkneifen, als er mit diesen Aussagen konfrontiert wurde. Kommentieren wollte er die aktuellen Verlautbarungen der Protagonisten jedoch nicht. Dennoch eröffnete Haas, der seine Karriere mittlerweile beendete und eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann in einer Reha-Klinik absolviert, eine ganz persönliche Ansicht: „Wenn ich verletzt war,  also gar nichts machen konnte und nicht im Training auf dem Platz stand, dann habe ich nach Trainingseinstieg nur zwei bis drei Monate gebraucht, um zurück ans Limit zu kommen.“

► INTERVIEW: Dieser Sportwissenschaftler sagt: Vollmanns Aussage ergibt keinen Sinn. Und er erklärt den von Vollmann verwendeten Laktatwert „3,5“.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.